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  • Das Floß der Medusa von Franzobel

    Franzobel hat mit seinem Roman das Unmögliche geschafft. Er ruft uns einerseits die
    Historie in Erinnerung, zum anderen hat er einen erstaunlich lebendigen und
    hochaktuellen Roman geschrieben. Dabei hilft ihm sein Gespür für das Groteske,
    seine Fähigkeit, die derben Seiten seiner Figuren herauszustellen, die gesellschaftlichen
    Widersprüche, ja, die Klassenverhältnisse in den Dialogen deutlich zu machen.
    Dieses Buch gibt sämtliche Werte von Kultur und Zivilisation preis.
    Der Mensch zeigt was hinter der Schminke der Moral und unter der Haut
    der Kultur ansonsten verborgen bleibt.
    Definitiv kein Roman für schwache Nerven. Was mich besonders fasziniert hat:
    Die wahre historische Geschichte dahinter und die Parallelen zweihundert Jahre
    später.

  • Franzobel gelingt es mit geschliffener Sprache und großer Erzählkunst, grausigste Ereignisse der Vergangenheit lebendig werden zu lassen. Die wahre Geschichte des Schiffsunglücks der Medusa verwandelt der Autor mit vielen Feinheiten zu einem literatischen Gemälde. Die Perspektiven werden immer wieder verlagert, die Leser werden als Betrachter angespochen, es gibt zahlreiche Verknüpfungen mit der Gegenwart, wohl in der Absicht, die Schrecklichkeiten der Geschichte leichter verdaulich zu machen.
    Für mich waren die eingebauten stilistischen und sprachlichen Haltegriffe, mit dem sich die Leser vom geschilderten Grauen distanzieren könnten, in zu luftigen Höhen angebracht. Trotz des bestechenden Stils, habe ich das Buch nach einem Drittel zur Seite gelegt, um es später doch wieder zur Hand zu nehmen, das letzte Kapitel zu lesen und damit das Buch endgültig zu schließen. Zu grauenvoll war mir der Inhalt.

  • Die wahre Geschichte des Schiffbruchs der Méduse liegt jetzt 200 Jahre zurück. Das Buch von Franzobel basiert auf den Berichten des Schiffsarztes Savigny und des Ingenieurs Alexandre Corréard.
    Das Geschehen ist zum vielschichtigen Mythos und Symbol für das Übel unserer Menschlichkeit geworden.

    Friedrich Nietzsche hat gesagt: der Mensch ist eine gemeine selbstsüchtige Bestie. Das hat Franzobel dem Leser sehr gut dargestellt.

  • Fuenf Sterne reichen nicht aus zur Praemierung dieses sprachlich wunderschoenen Meisterwerks von Franzobel. Die Wortgebilde erzeugen zwischen den Zeilen im Kopf so lebendige Bilder, dass ich das beschriebene Grauen nicht ertrage und das Buch immer wieder wegen flauer Gefuehle in der Magengrube weglegen muss. Ich kann es nicht ganz fertig lesen, es tut mir zu weh. Verstoerend, wo man doch abgestumpft zu sein glaubt von der Fuelle an Grauslichkeiten, die uns die Medien taeglich vor Augen fuehren. Nein, dieses Buch ist noch grauslicher. Ein wahres Meisterwerk an menschlicher Unmenschlichkeit. Gelungen. GROSSARTIG.

  • Am 5. Juli 1816 lief das Flaggschiff Medusa auf der Fahrt von Frankreich nach dem Senegal auf eine Sandbank und war manövrierunfähig. Sechs Rettungsboote waren für 400 Passagiere nicht ausreichend. Ein Floss wurde gebaut und während sich der überforderte Kapitän, die Offiziere und alle, die ihnen wichtig waren an Land segeln ließ , wurden 147 Menschen, natürlich die ärmsten, darunter der Schiffsarzt, auf dem Floss zusammengepfercht und halb im Wasser stehend ihrem Schicksal überlassen. Schnell bricht Gewalt aus, jeder ist sich selbst der Nächste und bereits in der ersten Nacht wird gekämpft und getötet, am dritten Tag begann man die Leichen zu essen. Vor der Westküste Afrikas wird das Boot entdeckt. Die 15 kaum lebensfähigen nackten Gestalten waren die letzten von den 147 Menschen, die dreizehn Tage unmenschlichen Leidens überlebt haben.
    In manchmal deftiger Sprache schildert Franzobel das Geschehen auf dem Floss der Medusa und Hobbes Zitat: "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf" wird in dem unglaublichen Roman zur grausigen Wirklichkeit.

  • Franzobel bezieht sich in seinem Roman auf eine historische Schiffstragödie und schafft es ohne auf die Zeitgeschichte direkt Bezug zu nehmen ständig die Bilder der sinkenden Schlepperschiffe in Erinnerung zu rufen. Man wird mit den Abgründen des menschlichen Charakters konfrontiert, das Buch ist fesselnd aber auch verstörend zugleich. Es zeigt was mit Menschen passiert, wenn es keine moralischen Grenzen mehr gibt. Es entbehrt natürlich auch nicht einer gewissen Ironie, dass in diesem Roman degenerierte Europäer Schutz im "wilden" Afrika suchen.
    Ein lesenswertes Buch, aber nicht zur Unterhaltung und Entspannung geeignet.

  • Dieses Buch ist ein sprachliches Kunstwerk, ebenbürtig des Bildes von Theodore Gericault in seiner Spannung und Dramatik. Möglicherweise rückt Franzobel für die vielen Toten, die dieses Unglück nicht überlebten, die Wahrheit ins rechte Licht und bringt ihnen Gerechtigkeit entgegen. Wegen der unüberbietbare Grausamkeit des Inhalts müsste man das Buch sofort aus der Hand legen, die großartige sprachliche Schilderung hat das bei mir jedoch verhindert.