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  • Andreas Besold

    Auf Einladung des Reichstagspräsidenten Hermann Göring finden sich am 20. Februar 1933 hochrangige Vertreter der Industrie zu einem Treffen mit Adolf Hitler ein, um über mögliche Unterstützungen für die nationalsozialistische Politik zu beraten, darunter die Vertreter von Krupp, Opel und BASF. So beginnt der Lauf einer Geschichte, die Vuillard fünf Jahre später in die Annexion Österreichs münden lässt. Dabei erzählt er eine andere Geschichte als die uns bekannte, er zeigt in spotartig ausgeleuchteten Ereignissen den Panzerstau an der deutschen Grenze zu Österreich, er entlarvt Schuschniggs hilfloses Festhalten an der Macht und Hitlers Unberechenbarkeit.
    Mit der ihm eigenen virtuosen Eindringlichkeit und satirischem Biss seziert Vuillard die Mechanismen des Aufstiegs der Nationalsozialisten und macht deutlich: Die Deals, die an den runden Tischen der Welt geschlossen werden, sind faul, unser Verständnis von Geschichte beruht auf Propagandabildern. Ein eindringliches Buch, das die uns bekannte Geschichte aus einer neuen Perspektive erzählt. Vuillard legt eine Dokumetation über Massenmanipulation, Lügen und Heucheleien vor, die losgelöst aus ihrem historischen Rahmen allzeit gültig ist.

  • Sonja Kienzl

    Unternehmen sterben nicht wie Menschen. Sie sind mystische Leiber, die nie verenden. Eric Vuillard versammelt vierundzwanzig Bevollmächtigte der führenden Industriekonzerne Nazideutschlands, deren Finanzspritzen Hitlers Aufstieg zugutekommen. Im Budget großer Unternehmen ist die Korruption ein unumgänglicher Posten, wie uns die Geschichte mächtiger Konzerne immer wieder lehrt. Wie in Stefan Zweigs historischen Miniaturen, den „Sternstunden der Menschheit“, gibt der Autor in eleganten Worten Einblick in die dichte Atmosphäre bedeutender Augenblicke. Er übt Kritik an der englischen Appeasement-Politik am Beispiel des moralisch erblindeten Lord Halifax, beobachtet den österreichischen Bundeskanzler Schuschnigg bei seinem duckmäuserischen Verhalten am Berghof, schwenkt zu Seyß-Inquart, der ihn beerben wird und im Herbst 1946 im Anschluss an die alliierten Prozesse gegen die Kriegsverbrecher am Galgen baumelt. Vuillard zeigt auf, dass England gemütlich schnurrend zu Bett gegangen war, während die Nazis in Österreich einmarschierten. Freilich übten viele den Nazigruß bereits seit 1933. Als der Leser sich gedanklich noch bei Joachim von Ribbentrops Bluff in London aufhält und die Selbstmörder betrauert, die nach dem Anschluss Österreichs keine Hoffnung mehr sahen, schließt der Autor den Kreis und wendet sich wieder Krupp & Konsorten zu, für die der Krieg sehr profitabel war. Die systematische Ausbeutung von KZ-Häftlingen, ihre Vernichtung durch Arbeit, ist nur eine Fußnote in der Bilanz der unermesslich reichen Konglomerate. Ein Fauxpas, den man mit mageren „Entschädigungszahlungen“ aus der Welt räumte. Einmal im Jahr zollt das schlechte Gewissen der Öffentlichkeit der Geschichte und ihren zahllosen Opfern pflichtschuldig Tribut – mit einem trockenen Pfingstrosengesteck. Das Buch erhielt den „Prix Goncourt“, den bedeutendsten Literaturpreis Frankreichs.