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Gerade für Sie gelesen

  • Maxie aus unserer Tyrolia-Filiale in Innsbruck empfiehlt:

    Maxie ist Buchhändlerin in unserer Tyrolia-Filiale in der Maria-Theresien-Straße in Innsbruck. Ihre Spezialität sind Kochbücher - aber in ihrer Freizeit verschlingt sie alle möglichen Bücher, von Romanen bis zu den spannendsten Thrillern.

  • Wenn zur Zeit nach dem Buch „von dem Autor, der so ähnlich wie Julia Roberts heißt“ gefragt wird, ist ganz klar, was gesucht wird: „Vom Kochen & Leben auf dem Land“ von Julius Roberts. Der junge Brite ist mit der US-Schauspielerin aber weder verwandt noch verschwägert.
    Julius Roberts ist ein sogenannter „first-generation-farmer“, der in seinem ersten Buch jede Menge Rezepte mit wunderbaren Essays über sein Leben auf dem Land, im Südwesten Englands (Dorset) nahe der Küste, vereint.
    Wenn man das liest, ist man eigentlich sofort versucht, seine Siebensachen zu packen, um ihm einen Besuch abzustatten. Dass das Buch so wunderbar bebildert ist – natürlich mit appetitanregenden Fotos der ganzen Gerichte, aber vor allem mit herrlichen und heimeligen Bildern vom Cottage (innen und außen) und der schönen Landschaft – trägt dazu natürlich seinen Teil bei!
    Für mich waren aber die Worte von Nigel Slater, bekanntermaßen einer meiner Lieblingsköche, ausschlaggebend, „Vom Kochen & Leben auf dem Land“ zu einem meiner Lieblings-Kochbücher zu küren.
    Slater sagt: „Ein herzerwärmendes Buch. Die Rezepte sind absolut großartig.“ Und einer seiner Empfehlungen vertraue ich zu 100%.
    Also: Kaufen! Kochen! Freuen!

  • Mediterran Express von Ali Güngörmüs

    Noch vor kurzem war es so, dass ich auf die Frage: „Wo haben Sie denn die Kochbücher mit mediterraner Küche?“ keine richtig gute Antwort parat hatte. Denn die Auswahl war einfach nicht gut, und das, wo doch diese Küche zu den gesündesten der Welt gehört.
    Zum Glück sieht es in dieser Kochbuch-Saison anders aus; die Verlage hauen einer nach dem anderen ein hübsches Kochbuch zu diesem Thema raus.
    Allen voran sei hier „Mediterran Express“ von Ali Güngörmüs erwähnt.
    Der quirlige Münchner Sternekoch mit türkischen Wurzeln versammelt hier über achtzig Rezepte, die mit maximal sieben Zutaten in kürzester Zeit zubereitet werden können. Sein Motto: „Gutes Kochen kann so einfach sein“, denn nichts findet er selbst schlimmer als Rezepte mit endlosen Zutatenlisten.
    Im Buch findet sich alles, was es braucht, um ein schnelles (sommerliches) Menü zusammenzustellen: Vorspeisen wie geschichtetes Tabouleh, hier zum Glück mit Bulgur zubereitet statt mit Couscous, oder ein phantastischer Zucchinisalat mit cremigem Zitronen-Cumin-Joghurt.
    Wer mich und meine Kochbuch-Tipps kennt, wird es ahnen: Mein Lieblingskapitel dreht sich natürlich um Suppen, was sonst! Hier empfehle ich vor allem, die Kohlrabisuppe nachzukochen.
    Und vielleicht schafft Ali Güngörmüs es sogar, dass ich meine Abneigung gegen Auberginen überwinde? Genügend Rezepte, die eigentlich alle ganz gut klingen, wären jedenfalls vorhanden.
    Wer auf der Suche nach einem Kochbuch für schnelle und leichte Küche ist, ist mit „Mediterran Express“ wirklich gut beraten!

  • Ein langes Wochenende von Gilly Macmillan

    Der Titel ist Programm. Ein (normal) langes Wochenende reicht aus, um diesen Roman zu lesen, der sich nicht so recht entscheiden kann, was genau er ist: Eine haarsträubende Räuberpistole oder ein hochspannender Thriller.
    Seit vielen Jahren schon gibt es das alljährlich stattfindende, gemeinsame Wochenende. Dieses Mal geht es in den äußersten Norden von England, in eine zum Ferienhaus umgebaute Scheune in der absoluten Einöde. Mit von der Partie sind wie immer Jayne und Mark, Ruth und Toby sowie Paul mit seiner neuen, um viele Jahre jüngeren Frau Emily. Zum ersten Mal nicht mit dabei: Rob und Edie. Rob ist vor einiger Zeit unter mysteriösen Umständen ertrunken, und vor allem die drei Frauen sind insgeheim ganz froh, dass die trauernde Witwe Edie alleine nicht mitkommen wollte. Eigentlich ist Edie allen dreien ein Dorn im Auge; zu offensichtlich ist, dass sie, die alle drei Ehemänner schon seit ihrer Jugend kennt, stets der Mittelpunkt und von allen Männern umschwärmt war. Seit Robs Tod ist die Fürsorge von Mark, Toby und Paul der hilflosen Edie gegenüber kaum noch zu ertragen.
    Doch kaum sind die drei Frauen als erste im Ferienhaus angekommen -- die Männer sollen tags darauf folgen -- , erhalten sie einen Brief, der Edie plötzlich gar nicht mehr hilflos, sondern im Gegenteil höchst gefährlich und unberechenbar wirken lässt.
    Die Autorin spielt gekonnt mit den Ängsten und Unsicherheiten ihrer Hauptfiguren (zugegeben: vor allem der weiblichen) und führt ihre Leser*innen raffiniert an der Nase herum. Dabei trägt sie für meinen Geschmack mitunter etwas zu dick auf und bürdet Jayne, Ruth & Co vielleicht einen Tick zu viele Probleme auf, u.a. starke Alkoholabhängigkeit, posttraumatische Belastungsstörung, der Verdacht auf sexuelle Belästigung, Schuld am Suizid einer Studentin und so weiter und so fort. Auch der Nebenstrang, nämlich die Geschichte rund um John und Maggie, die Besitzer der Scheune, ist eher verwirrend und eigentlich komplett unnötig.
    Das Pendel schlägt aber zu guter Letzt doch in Richtung „superspannender Thriller“ aus, und das liegt an den Kapiteln, die aus der Ich-Perspektive erzählt werden und einen fast bis zum Schluss mitfiebern lassen, wer nun der wahre Psychopath ist.

  • Zwei an einem Tag von David Nicholls

    Nachdem ich nun die hochgelobte und wirklich schöne und sehenswerte Netflix-Serie „One Day“ gesehen habe, war es an der Zeit, auch den Roman, der dafür die Vorlage war, erneut zu lesen. Das erste Mal lag weit mehr als zehn Jahre zurück, und von daher hatte ich wirklich kaum eine Erinnerung, was im Buch anders als in der Verfilmung ist.
    „Zwei an einem Tag“ ist die Geschichte von Dexter und Emma, die sich genau zum falschen Zeitpunkt kennenlernen; nämlich bei der Abschlussfeier nach bestandenem Studium, also genau dann, wo sich ihre Wege gleich wieder trennen und sich alle in alle Himmelsrichtungen verstreuen.
    Es ist (zunächst) keine richtige Liebesgeschichte, sondern eine Freundschaftsgeschichte und eigentlich irgendwie halt doch… eine Liebesgeschichte!
    Die Leserin begleitet die beiden über zwanzig Jahre, und es ist immer der 15. Juli eines jeden Jahres, an dem erfährt, wo die beiden in ihrem Leben gerade stehen, denn der 15. Juli 1988 war der Tag, an dem die Geschichte von Dexter und Emma begonnen hat.
    Es ist eine Geschichte vom Erwachsenwerden; davon, seinen Platz im Leben zu finden, vom Glück und vom Scheitern.
    Es ist keine stürmische Romanze, sondern die Geschichte zweier Menschen, die jahrelang nicht erkennen, dass sie zusammengehören, bzw. erkennen sie es jahrelang nicht zur selben Zeit!
    Hier fühlt man sich – jedenfalls als etwas ältere Leserin – vielleicht an eine ähnliche Geschichte erinnert aus den späten 1980er Jahren, nämlich an „Harry & Sally“, aber „Zwei an einem Tag“ ist viel besser (und ohne die nervige Meg Ryan).
    Wer also bisher nur „One Day“ gesehen hat, dem sei auch das Buch ans Herz gelegt – gerade AUCH, denn ganz ehrlich:
    Wie blöde ist doch eigentlich der Satz „Das Buch zur Netflix-Serie“, der irgendwie suggeriert, dass es die Serie zuerst gegeben hätte.
    Es lohnt sich wirklich, Emmas und Dexters Geschichte (auch) zu LESEN, denn so richtig komplex und schön kann doch nur das geschriebene Original sein.

  • Der Lärm des Lebens von Jörg Hartmann

    Ich weiß nicht, inwieweit der Schauspieler Jörg Hartmann dem österreichischen Fernsehzuschauer ein Begriff ist. Ich bin keine regelmäßige Tatort-Zuseherin, aber der von Hartmann verkörperte mürrische und wortkarge Kommissar Faber ist der Ermittler, auf dessen (leider seltene!) Fälle ich mich immer am meisten freue.

    Jetzt zeigt Jörg Hartmann, dass er literarisch durchaus wortgewandt ist! Das kürzlich erschiene Buch „Der Lärm des Lebens“ ist keine Autobiographie, aber auch kein fiktiver Roman. Hartmann erzählt aus seinem Leben und geht dabei nicht chronologisch vor. Es sind Erinnerungen an seine Zeit als junger, ungestümer Schauspielschüler, der drauflosprescht, die Welt zu erobern.
    Hartmann erzählt von seinen beruflichen Anfängen in Stuttgart und Berlin und von seiner Herkunft und seiner liebevollen Familie. Hier sind es vor allem die Geschichten und Erinnerungen, die von seinem Vater handeln, den er in seinen letzten Monaten begleitet. Jeden, der schon ein Elternteil verloren hat, werden diese Seiten ganz besonders berühren und vielleicht sogar zu Tränen rühren.
    „Der Lärm des Lebens“ ist aber auch ein Buch zum Lachen – ich zum Beispiel war hin und weg, wie Jörg Hartmann seine Unterhaltungen mit seinen Eltern und Patenonkel Günther nebst Gattin Inge wiedergibt, und hätte ihnen stundenlang „zuhören“ mögen.
    Er erzählt von dem oft rastlosen Leben, das er führt, berufsbedingt führen muss, und das er auf der einen Seite so liebt. Und dann wieder hasst er es, unterwegs zu sein, hasst diesen narzisstischen Beruf, der ihm so oft einen Rhythmus aufzwingt, der nicht zu seinem Leben mit seiner Frau und den zwei kleinen Kindern passt.

    Es lohnt sich, den Schriftsteller Jörg Hartmann zu entdecken, denn wie schreibt er so schön: „Schon immer sind es Geschichten gewesen, die man sich erzählt, an denen man sich aufrichtet, die man zum Überleben braucht, die einem Halt geben… Wenn wir uns nicht füttern mit Kunst und Geist, dann gehen wir ein, werden Opfer der digitalen Pest…“
    Von mir fünf Sterne für dieses kluge und schöne Leseerlebnis!

  • Am Ende ist es ein Anfang von Dolly Alderton

    Eigentlich hatte ich schon ein anderes Buch parat, aber dann habe ich die ersten zwei, drei Seiten von „Am Ende ist es ein Anfang“ angelesen – und damit hatte Dolly Alderton mich am Wickel!
    Bereits die ersten Punkte auf Andys Liste „Gründe, warum es gut ist, dass ich nicht mehr mit Jen zusammen bin“ sind so wunderbar skurril, dass ich sofort weiterlesen wollte.

    Andy ist ein mittelalter und mittelmäßiger bis schlechter Standup Comedian, dessen Beziehung zu Jen nach vier Jahren ein ziemlich abruptes Ende nimmt, zumindest für ihn.
    Diese Trennung wirft ihn, der seit seinen späten Teenagerjahren NIE ohne eine Beziehung war, völlig aus der Bahn. „Es fühlt sich an wie Weihnachten… Als würde meine Welt für eine Weile stehen bleiben.“
    Wir begleiten Andy über ein halbes Jahr, das er mehr oder weniger „im Wahnsinn“ erlebt; wir erleben seine Trauer und seine Versuche, Jen zurückzugewinnen und sie zu vergessen und sie wieder zurückzugewinnen. Es ist eine Zeit mit viel zu viel Alkohol und exzessivem Ausgehen, nur um nicht alleine sein zu müssen.
    Wie positioniert er sich neu in seiner Freundesclique, in der alle anderen eine feste Partnerschaft haben, zum Teil sogar verheiratet und schon Vater sind?
    Es ist grotesk und gleichzeitig berührend zu lesen, wie Andy fast schon zwanghaft Jens Aktivitäten in den sozialen Medien verfolgt oder wie besessen er davon ist, von seinem besten Freund Avi, der wiederum der Mann von Jens bester Freundin ist, jedes Detail aus Jens neuem Leben zu erfahren.
    Und was soll er mit all diesen Dingen und Erinnerungen machen, die ein Teil der Kultur in ihrer Beziehung waren – z.B. Tee aus sehr großen Bechern zu trinken, sich auf den Vorverkaufstag für das Glastonbury Festival zu freuen oder Trüffelchips.
    „Wenn ich ein neues Liebessubgenre mit jemand anderem beginne, darf ich all das, was ich am letzten so sehr liebte, mit einbringen?“
    Andy versinkt „in den Erinnerungen und dem ungelebten Potenzial dieser Beziehung“, und wie Avi so treffend formuliert: „Deine Nostalgie ist dein Gefängnis.“

    Das klingt jetzt vielleicht alles ein bisschen deprimierend, aber ganz ehrlich: Das haben wir doch alle so oder zumindest so ähnlich auch schon erlebt.
    Ich konnte mit Andy lachen – vielleicht nicht gerade über seine Standup Comedy, denn die ist wirklich mies – und mitfühlen; manches Mal dachte ich mir: „Er ist wirklich ein echter Blödmann!“ und dann ist er wieder so herzzerreißend wunderbar, dass es mir unbegreiflich war, wieso Jen ihn in den Wind geschossen hat.
    „Am Ende ist es ein Anfang“ ist ein ganz wundervolles und unterhaltsames Buch über das Erwachsenwerden und die Chance, dass sich eben tatsächlich aus jedem Ende auch wieder etwas Neues ergeben kann. Auch wenn es schwer ist.
    Am schönsten ist das Ende des Romans, wo wir auf einigen wenigen Seiten Jens Sicht auf Andy, ihre Beziehung und die Trennung erfahren. Hier ergeben sich dann einige Querverbindungen, die ganz besonders schön und berührend sind. Es waren aber definitiv zu wenige Seiten; von mir aus hätte Dolly Alderton gleichzeitig mit diesem Buch noch ein zweites veröffentlichen können, in dem wir die GANZE Geschichte noch einmal komplett aus Jens Sicht lesen können.

    „Am Ende ist es ein Anfang“ ist ein Buch, das auch für Männer geeignet ist, trotz seines Covers, das wohl eher Leserinnen ansprechen soll – ganz nebenbei: Ich finde es furchtbar und es steht für mich in keinem Zusammenhang mit der Geschichte, und die Frau ist mit Sicherheit nicht Jen, aber wer ist sie dann?!
    Wir können bei der Lektüre ALLE noch etwas lernen, von der phantastischen Unterhaltung mal ganz abgesehen.

  • Die Vorhersage von Nikki Erlick

    Was wäre, wenn jeder Mensch den exakten Zeitpunkt seines Todes kennen würde?
    Nikki Erlick baut die Handlung ihres Debütromans auf genau dieser Frage auf.
    An einem Frühlingsmorgen sind sie plötzlich da: schlichte, kleine Holzkästchen, wie aus dem Nichts aufgetaucht. Sie finden sich in jeder noch so abgelegenen Gegend, und in den Deckel jedes Kästchens ist eine einfache und zugleich rätselhafte Botschaft in der jeweiligen Muttersprache des Empfängers eingraviert. „Das Innere birgt das Maß deines Lebens.“
    In jeder Box befindet sich ein einzelner Faden, hübsch verpackt in einem dünnen, silberweißen Stoff, so dass auch diejenigen, die den Deckel geöffnet haben, noch eine Art Bedenkzeit erhalten.
    Zunächst können nur Vermutungen angestellt werden, was die Echtheit der Fäden angeht und vor allem, was die jeweilige Länge für den einzelnen Mensch tatsächlich bedeutet. Nach der ersten Welle, in der alle Erwachsenen ab dem Alter von zweiundzwanzig Jahren ihr Exemplar bekommen haben, bringt jeder neue Sonnenaufgang eine Box und einen Faden für genau die Menschen, die an diesem Tag ihren zweiundzwanzigsten Geburtstag feiern. Relativ schnell werden mit Hilfe von zigtausend ausgewerteten Fäden immer genauere Berechnungen zur jeweiligen noch verbleibenden Lebensdauer möglich; und bald lässt sich der Todeszeitpunkt eines jeden Menschen auf die Stunde genau vorhersagen.
    Die sogenannten Kurzfaden müssen schon bald feststellen, dass sie in vielen Bereichen des Lebens benachteiligt bzw. diskriminiert werden; so stellen zum Beispiel viele Firmen Menschen mit kurzer Lebenserwartung gar nicht mehr ein, teilweise werden sie in Krankenhäusern nicht mehr behandelt. „Dürfen“ sie überhaupt noch eine Beziehung mit einem „Langfaden“ eingehen? Eine Familie gründen?
    Auf den ersten Blick scheint es für diejenigen, die wissen, dass ihnen ein langes Leben beschert wird, leicht(er) zu sein, aber ihnen stellt sich z.B. die umgekehrte Frage: Möchte ich eine Beziehung mit einem „Kurzfaden“ eingehen bzw. kann und will ich an einer bestehenden Beziehung zu einem Menschen, dessen Ende absehbar ist, festhalten.

    Was richten die Fäden in der Gesellschaft in Hinblick auf Solidarität und Moral an?
    Ist ein Faden -- egal welcher Länge -- eine Art Freibrief, nur noch das zu tun, was man möchte?
    Kann das Wissen um das genaue Ende des eigenen Lebens eine Chance sein, weil sich die Möglichkeit des Abschiednehmens bietet? Weil man vielleicht keine letzten gesagten oder ungesagten Worte bereuen muss?

    Niki Erlick verpackt all diese Fragen in eine episodenhafte Geschichte rund um acht Frauen und Männer und lässt dann -- das Wortspiel muss erlaubt sein, auch wenn es eigentlich doof ist -- alle Fäden zusammenlaufen in einem Ende, das mir persönlich etwas zu kitschig war.
    Da die Herkunft der Fäden nicht aufgelöst wird, hätte es in meinen Augen diesen weichgespülten Schluss nicht gebraucht.
    Ein spannendes Gedankenexperiment ist "Die Vorhersage" aber auf jeden Fall.

  • Wie Inseln im Licht von Franziska Gänsler

    "Wir waren drei, und jetzt bin ich allein übrig geblieben. Geist, Geist, Mensch."

    Vier Tage sind seit dem Tod der Mutter vergangen, und seitdem ist Zoeys Zeitrechnung eine andere. Sie reist nach Frankreich, um die Asche ihrer Mutter im Atlantik zu verstreuen – und um endlich wieder an den Ort zu kommen, an dem sie vor zwanzig Jahren mit ihrer jüngeren Schwester Oda und der Mutter gelebt hat, damals als sie noch glücklich waren.

    Zoey ist auf der Suche nach Antworten auf die Frage, was damals eigentlich passiert ist, als sie sieben Jahre alt war und Oda fünf.
    Was ist geschehen, in dieser Nacht, in der die beiden Mädchen alleine waren in dem Wohnwagen, in dem sie damals lebten; wo war die Mutter in jener Nacht und warum hat sie der älteren Schwester die jüngere überlassen? Ist Oda wirklich im Wald hinter dem Campingplatz verschwunden, dort wo das warme Leben, das die Mutter für ihre Töchter abgesteckt hatte, endete und wo die Geheimnisse anfingen?

    Jetzt will Zoey, jetzt MUSS sie, außer ihren verschütteten Erinnerungen auch mehr über die Mutter herausfinden, deren Geschichte immer mit Oda und Zoey auf dem Campingplatz begonnen hat. Nie hat sie von ihrem Leben gesprochen, bevor es die Mädchen gab.
    Irgendetwas ist damals passiert, das so schrecklich war, dass die Mutter nicht darüber sprechen, nicht einmal daran denken konnte.
    "Das Leben der Mutter bestand aus Lücken, war ein Text, in dem seitenweise geschwärzt worden war, was sie nicht ertrug."

    Bereits vor zwei Jahren hat mich Franziska Gänsler mit ihrem Debütroman „Ewig Sommer“ begeistert und das ist ihr mit ihrem neuen Werk „Wie Inseln im Licht“ auch wieder gelungen.
    Wieder beschwört sie durch ihre bildhafte Sprache eine ganz besondere, flirrende Stimmung, und wieder begegnen wir Personen, die geheimnisvoll und schwer greifbar sind, die mit sich und ihrer Vergangenheit ringen.

    Es ist nicht nur die Geschichte eines Verlustes, der niemals so richtig begriffen wurde, der niemals verarbeitet werden konnte; es ist vor allen die Geschichte einer komplizierten Mutter-Tochter-Beziehung, die durch Odas Verschwinden schwer belastet ist.
    "Wir hielten die Luft an, seit wir Oda nicht mehr hatten... Oda war ein Graben in unserem Leben, ein Abgrund, an dessen Kante wir standen, immer nur wenige Zentimeter von diesem unbegreiflichen Schwarz entfernt."

    Zoey ist die übriggebliebene Tochter, die niemals gehen konnte – und wenn sie ging, dann ganz behutsam, um immer wieder zurückzukommen – ihr Leben lang wurde sie von der Mutter kontrolliert durch deren Leid und die Gebrechen, die sich nach und nach einstellten, kontrolliert und traumatisiert durch eine Mutter, die lieber stirbt, als ihre Tochter medizinische Hilfe holen zu lassen.

    Am Schluss erfahren wir, was wirklich mit Oda geschehen ist – und ich frage mich die ganze Zeit, ob ich es nicht stimmiger gefunden hätte, wenn ihr Schicksal weiter im Unklaren geblieben wäre. Wenn ich vielleicht weiterhin – so wie Zoey all die Jahre – hätte hoffen können, dass Oda irgendwo doch noch lebt.

  • Emil und die drei Zwillinge von Erich Kästner

    Vor fünfzig Jahren ist Erich Kästner gestorben, und da ist es mehr als naheliegend – fast schon eine Pflicht – wenigstens eines seiner Kinderbücher wieder einmal aus dem Bücherregal hervorzuholen. Ich habe sie alle, und geliebt habe ich sie auch alle und unzählige Male gelesen, als ich noch ein Kind war, aber es gab und gibt ein Buch von Erich Kästner, das immer, immer (auch später beim Vorlesen für die eigenen Kinder) mein allerallerliebstes war, nämlich „Emil und die drei Zwillinge“.

    Es ist eine Art Fortsetzung von „Emil und die Detektive“ und so begegnen wir natürlich außer dem Titelhelden auch Gustav mit der Hupe, dem Professor und meinem Liebling, dem kleinen Dienstag wieder!
    Es sind ungefähr zwei Jahre vergangen; die Jungens müssen jetzt so um die zwölf, dreizehn Jahre alt sein (es sind die „Flegeljahre“) und begeben sich gemeinsam in die Sommerfrische an die Ostsee. Dort hat der Professor nämlich eine Villa von einer verstorbenen Großtante geerbt, und seine Eltern sind natürlich damit einverstanden, dass der Professor seine Freunde und sogar Emils Großmutter und Pony Hütchen (Emils Kusine) für die Ferien einlädt.

    Eine ganz besonders tolle Figur ist der Justizrat Haberland, der Vater des Professors – schon als Kind war mir irgendwie klar, dass er bestimmt nicht dem Bild des typischen Vaters der damaligen Zeit entsprach (das Buch ist 1935 erschienen). Von ihm kommt der Vorschlag, dass die vier Jungens für ein paar Tage allein in der Villa bleiben, während die Erwachsenen samt dem alten Dienstmädchen Klothilde (ein von allen hoch geschätztes Familienmitglied, auch wenn die Jungens sie gerne mit ihrem Nachnamen „Seelenbinder“ aufziehen) und Pony Hütchen eine Reise nach Dänemark unternehmen.
    „Meine sehr geehrten Herren“, sagte der Justizrat lächelnd, „wollt ihr euch also einmal ein paar Tage von selber und ungestört entwickeln? Das könnt ihr haben… Geld lasse ich euch da, falls ihr das nicht schon als einen zu großen Eingriff in eure Entwicklung anseht.“
    Und kaum sind die Jungens alleine, beginnt das Abenteuer…

    Diese Ferien, die Erich Kästner da entwirft, die Beschreibung des kleinen Seebads Korlsbüttel, das freie Leben der Kinder in Abwesenheit der Erwachsenen und ihre unerschütterliche Freundschaft, das alles liest sich einerseits wie aus der Zeit gefallen und andererseits völlig zeitlos.
    Klar, vielleicht ist Emil ein bisschen zu sehr das Idealbild eines Musterknaben; lern- und wissbegierig, stets höflich und bemüht, seiner Mutter keinen Kummer zu bereiten, aber er ist auch patent und pfiffig und immer bereit, sich mit ganzem Herzen für die Schwächeren einzusetzen.

    In so vielen kleinen Episoden merkt man, dass Erich Kästner seine jungen Leser (und Kinder im Allgemeinen) ernst nimmt – das zeigt sich hier außer in der Figur des Justizrats auch in Emils resoluter Großmutter oder dem Kapitän Schmauch, die allesamt die Kinder in ihrer Eigenständigkeit unterstützen und ihre Sorgen und Nöte trotzdem ernst nehmen.

    Was mich besonders gefreut hat, als ich meine Ausgabe von 1981 mit der aktuellen im Regal in der Tyrolia-Kinderbuchabteilung verglichen habe: Zum Beispiel wurde der Satz „Und wenn ihr euch nicht zu helfen wisst, depeschiert nach Kopenhagen“ nicht verändert – ich nehme mal an, dass heutzutage kaum ein Kind noch weiß, was eine Depesche ist – und auch manch anderer antiquierter Ausdruck (so um Beispiel auch die „Jungens“) lässt sich hier finden, der mein altmodisches Herz erfreut hat.

    „Emil und die drei Zwillinge“ ist außer einer Abenteuer- und Freundschaftsgeschichte auch eine ganz bezaubernde Sommergeschichte, die auch nach fast neunzig Jahren nichts von ihrem Charme verloren hat.

  • Yellowface von Rebecca F. Kuang

    Bei diesem Thema wäre es natürlich das naheliegende, den tollen Buchtipp meiner Kollegin Verena einfach abzuschreiben und als meine eigene Rezension auszugeben. Wäre ich richtig dreist, würde ich sogar behaupten, es sei von Anfang an MEINE gewesen und sie hätte mir meine Worte geklaut.

    Aber das würde mir natürlich nicht im Traum einfallen, und wenn man den großartigen Roman „Yellowface“ gelesen hat, weiß man hinterher, dass einem diese Art von Diebstahl einige Schwierigkeiten bescheren könnte.
    June Hayward, eine junge und nicht mal im Ansatz erfolgreiche Schriftstellerin, wird da weniger von Skrupeln geplagt. Sie ist live vor Ort, als ihre ehemalige Kommilitonin Athena Liu bei einem ebenso grotesken wie tragischen Unfall ums Leben kommt. Zwar verständigt June den Notarzt, aber trotz der ganzen Dramatik ist sie geistesgegenwärtig genug, das fertige Manuskript von Athenas letztem, bisher unveröffentlichten Roman einzusacken.
    Und dann läuft die Maschinerie an: Nach einiger Überarbeitung und Ergänzung wird „Die letzte Front“ unter dem Namen „Juniper Song“ veröffentlicht – Song soll natürlich vermuten lassen, dass es sich hierbei um eine Autorin mit asiatischen Wurzeln handelt, weil das gut zum Thema des Romans passt, in Wirklichkeit aber ist Song einfach nur Junes zweiter Vorname.
    Sehr gut gefallen hat mir hierbei, dass man tatsächlich „Die letzte Front“ in den Händen hält, wenn man den „Yellowface“-Buchumschlag entfernt; das ist ein wirklich netter Gag.

    Gerade für uns aus der Buchbranche ist es natürlich großartig und erheiternd zu lesen, wie ganz gezielt ein Buch noch vor seiner Veröffentlichung zu einem Bestseller gepusht wird; was dafür getan wird, nämlich ALLES, ein Buch zum „Buch der Saison“ zu machen, und wie der Buchkäufer später kaum umhinkommt, eben dieses Buch zu erwerben.
    „Der Literaturbetrieb sucht sich einen Gewinner oder eine Gewinnerin aus… es ist so verdammt willkürlich. Oder vielleicht nicht willkürlich, aber es hängt von Faktoren ab, die nichts mit der Qualität des eigenen Schreibens zu tun haben.“

    Für June erfüllt sich ein Traum, endlich ist sie die gefeierte Bestseller-Autorin, die sie immer sein wollte, endlich wird sie wahrgenommen, und jetzt versteht sie auch, dass die Mühen einer Autorin gar nichts mit dem Erfolg eines Buches zu tun haben. „Bestseller werden auserkoren. Es ist egal, was du tust. Du kannst die Reise einfach genießen.“
    Doch kann sie das wirklich? Kann sie wirklich mit der Lüge leben und mit der Tatsache, dass IHR Buch ja gar nicht wirklich ihr Buch ist?
    Ja, June kann das perfekt, denn es wäre ja viel zu leicht, sie eine Diebin, eine Plagiatorin zu nennen. Ein Plagiat ist schließlich nur der einfache Weg, wenn man selber nicht imstande ist, die richtigen Worte zu Papier zu bringen. Aber June hat es sich ja nicht einfach gemacht, sie hat richtig viel Arbeit in Athenas Manuskript gesteckt, das ja unmöglich in seinem schäbigen Urzustand gedruckt werden konnte.

    Es ist schon fast gruselig zu lesen, wie June – die mir von Kapitel zu Kapitel immer noch unsympathischer wurde – diese monumentale Lüge lebt, wie sie sich einredet, dass „Die letzte Front“ eine noch nie dagewesene „Zusammenarbeit“ ist (von der natürlich einzig und allein sie weiß), und dass Athena es ja vielleicht sogar so gewollt hätte.
    Wie sie die Tatsache verdreht, dass sie Athena eigentlich immer unerträglich gefunden hat, weil sie im Vergleich mit ihr immer den Kürzeren gezogen hat, aber jetzt im Nachhinein ihre Beziehung aufbauscht und große Trauer über den Verlust der geliebten Freundin vortäuscht – das ist schon richtig fies.

    „Am Ende geht es nur darum, die eigenen Interessen durchzudrücken. Das Narrativ zu manipulieren; die Oberhand zu gewinnen. Wenn im Literaturbetrieb schon mit gezinkten Karten gespielt wird, kannst du wenigstens dafür sorgen, dass das Blatt zu deinen Gunsten ausgeteilt wird… So überlebt man in dieser Branche.“
    Das mag ernüchternd klingen, aber bei aller Desillusionierung ist „Yellowface“ vor allem erstklassige bitterböse Unterhaltung.

    Und „Babel“ – Der weltweite(!) Bestseller(!!!) über die Magie(!) der Sprache und die Macht(!!!) von Worten von Rebecca F. Kuang (hier kann ich gar nicht so viele Ausrufezeichen setzten, wie ich möchte, weil es doch einfach wunderbar dazu passt, was wir gerade über die Macht eines Bestsellers erfahren haben) – werde ich nach der Lektüre dieses Romans sicherlich auch bald vom Stapel ungelesener Bücher befreien!

    Hier gebe ich ganz ehrlich zu: Diesen letzten Absatz habe ich jetzt wirklich einfach abgeschrieben und nur ein bisschen verändert – denn konnte ich ihn guten Gewissens in seinem schäbigen Urzustand lassen?
    Hauptsache ist doch, dass er geschrieben wurde – egal von wem! Oder etwa nicht?