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  • Myrk von Michael Peinkofer

    Hanz wird als Neugeborener von Meister Mimir, Durg und Runenschmied, gefunden und an Sohnes statt aufgezogen. An seinem achtzehnten Geburtstag trifft er in den Höhlen auf einen kranken Wyrm, und infiziert sich mit einer tödlichen Krankheit. Mimir macht sich mit Hanz auf den Weg, Heilung zu finden, der Weg führt sie zum Durgenkönig und zu dem menschlichen Schmied Wyland, einst Schüler Mimirs.

    Auch Grid wird als Säugling von ihrer Meisterin gefunden und aufgezogen. Hulda ist eine Waldfrau, wahrscheinlich die letzte, den vor Jahren setzte Marfast, der Häuptling des Bärenvolkes, Blutjäger auf diese an, die alle töten sollten. Nun hat Marfast wieder Blutjäger ausgeschickt, und einer davon, Huorn, ist ihnen auf der Spur.

    Skanna ist die Tochter Kunnarts, des Häuptlings des Drachenvolkes, und wünscht sich nichts mehr, als als erste Frau Mitglied der Skelettreiter, einer Elitetruppe Kunnarts, zu werden. Leicht wird ihr das nicht gemacht, nun aber scheint der Erfolg nahe zu sein. Doch Kunnart, der ihr sowieso nicht verzeihen kann, ein Mädchen zu sein, hat mit der Feuerpriesterin Metiga eine neue Frau gefunden, und Metiga ist nicht nur schwanger, sondern hat auch eigene Pläne.

    Alle diese Charaktere spielen ihre Rolle in der Geschichte, nach und nach erkennt man die Zusammenhänge. An oberster Stelle steht Myrk, die Welt, die krankt, und womöglich dem Untergang nahe ist, genau wie Aldatru, der Geist des Waldes, der Lebensbaum. Ja, diese Geschichte wirkt durchaus aktuell, denn sie handelt davon, dass die Schöpfung stirbt, weil nicht alle ihre Geschöpfe sie so hegen und pflegen, wie es notwendig wäre, sie im Gegenteil sogar vorsätzlich zerstören. Trotzdem hebt Peinkofer nicht den Zeigefinger oder deutet gar auf seine Leser:innen, doch die Botschaft ist klar.

    Und die Geschichte ist lesenswert, sehr spannend, die Charaktere klar gezeichnet, man kann mitfühlen, sowohl in positiver als auch in negativer Weise, denn einige der oben Genannten sind ganz klare Antagonisten, für die man schnell keine positiven Gefühle mehr aufbringen kann. Wie hier teilweise mit Lebewesen umgegangen wird, ist schrecklich, und manches wird recht explizit erzählt. Ich fand z. B. die Blutegelgruben, in denen offenbar auch einige Waldfrauen geendet sind, ziemlich gruselig. Und auch den Charakteren stoßen Dinge zu, die man nicht erleben möchte. Dabei ist nicht jede:r ein:e Superheld:in, Hanz z. B. ist weder für das Schmieden noch für das Kämpfen geeignet, dafür kann er wunderbare Pilzgerichte kochen, und hat auch noch ein paar andere Talente.

    Was mir besonders gut gefallen hat, sind die Märchen, Sagen und Mythen, die sich hier wiederfinden. Schon die Namen Hanz und Grid lassen an ein bekanntes Märchen denken, und Hanz macht, wenn auch alleine, tatsächlich Bekanntschaft mit einer Hexe und ihrem Häuschen.

    Erwähnenswert sind, neben dem schönen und sehr passenden Cover, auch die Extras. Da ist einmal die Karte, schön gestaltet von Timo Kümmel, zum anderen das lesenswerte Vorwort des Autors, das Personenverzeichnis, und das Glossar im Anhang. Ähnlich wie bei seinen Ork-Büchern gibt es auch hier eine eigene Sprache, deren Worte man im Text findet, wie z. B. „skallriddan„ für Schädelreiter. Für mich trägt das zur Atmosphäre bei, und die meisten Worte könnte man auch, wenn sie nicht erklärt würden, aus dem Kontext verstehen, so dass es das Lesen in meinen Augen nicht schwieriger macht.

    Mir hat Michael Peinkofers Roman sehr gut gefallen, er punktet mit interessanten Charakteren, die mich mitfühlen ließen, einer ebenso interessanten Welt, die mit nordisch-germanischen Mythen, Sagen und Märchen verwoben wurde, und einem Thema, das auch für uns aktuell ist.

  • Evas Rache von Thomas Ziebula

    Leipzig, 1922: Paul Stainer und sein Team bekommen es mit einem brutalen und skrupellosen Frauenmörder zu tun. Paul machen die toten Frauen sehr zu schaffen, und er wendet sich wieder dem Alkohol zu. Als ein Mann scheinbar in flagranti erwischt wird, scheint der Fall gelöst, doch der Verdächtige ist ein hochdekorierter Kriegsheld.

    Der Münchner Armin Dorn will auf der Leipziger Messe seine neueste Erfindung vorführen. Seine Frau Eva möchte ihn unbedingt begleiten, woran Armin aber keinerlei Interesse hegt. Eva lässt sich allerdings nicht so leicht ausbooten.

    Der vierte, und wie ich mit Schrecken festgestellt habe, letzte Paul Stainer-Roman ist kein simpler Kriminalroman. Thomas Ziebula hat bereits in den Vorgängerbänden Paul Stainer, den Kriegsrückkehrer, nicht nur interessante Fälle lösen lassen, sondern auch gezeigt, wie sehr jemand nach Krieg und Gefangenschaft gezeichnet ist. In diesem Band tritt ein weiterer Charakter auf, dem es ähnlich geht, Wilfrid Nakaski, allerdings ist dessen Weg doch anders als Pauls. Auch der historische, politische und soziale Hintergrund, u. a. der Aufstieg der nationalsozialistischen Partei, spielt seine Rolle, so ist nicht nur Pauls Vater, sondern auch einer der Kollegen überzeugter Parteigänger.

    Eine besondere Rolle, man kann es schon am Titel erkennen, spielt Eva Dorn. Eva, die erkennen muss, dass nicht alles in ihrem Leben so ist, wie gedacht, die das nicht auf sich sitzen lassen will, und allerhand über sich ergehen lassen muss. Ihre Entwicklung ist interessant zu beobachten. Dass ihr Mann sie „Dornröschen“ nennt, bietet Interpretationsspielraum. Wie Eva in den Rest der Geschichte passt? Da hilft wohl nur, es zu lesen.

    Auch die privaten Geschichten werden weitererzählt, und auch sie sind es, die mich an diese Reihe fesseln. Am Ende würde ich nicht nur Paul Stainer, sondern auch Siggi, Mona, Rosa, Benno, Kurt Prollmann und alle die anderen, die mir ans Herz gewachsen sind, gerne noch einmal wiedertreffen.

    Thomas Ziebula hat es wieder geschafft, mich von der ersten Seite an zu fesseln. Seine Charaktere, Leipzig, die Zeit, alles wird lebendig, man fühlt sich mittendrin, hofft und bangt mit den Charakteren, ärgert sich, ist entsetzt, nicht nur die spannende Handlung, auch die Emotionen binden mich an die Geschichte. Nachvollziehbar aufgelöst ist alles am Ende, und ich hoffe ein bisschen, dass Paul vielleicht doch noch einmal ermitteln wird, vielleicht in einer etwas anderen Rolle dann? Ich würde ihn schon gerne noch einmal wiedertreffen, bin aber auch nicht unzufrieden mit diesem Ende unserer „Beziehung“. Von Thomas Ziebula wünsche ich mir aber schon weitere historische Kriminalromane.

    Auch Paul Stainers letzter Fall hat mir spannende Lesestunden bereitet, mich in das Leipzig von 1922 mitgenommen und auch wieder emotional berührt. Wer die anderen Bände noch nicht kennt, sollte diese zuerst lesen, ich empfehle sehr gerne die gesamte Reihe.

  • Nachbarn von Diane Oliver

    Diane Oliver wurde 1943 in North Carolina geboren und ist bereits 1966 auf Grund eines Unfalls verstorben. Dieser Band beinhaltet ihre vierzehn Kurzgeschichten, von denen zu ihren Lebzeiten vier veröffentlicht worden waren, u. a. die Titelstory. Erst kürzlich wurden die Geschichten (wieder)entdeckt und nun in dieser Anthologie veröffentlicht.

    Diane Oliver war schwarz und lebte in einer Zeit, in der die Rassentrennung noch aktuell war, vor allem in den Südstaaten. Ihre Geschichten handeln daher auch von Segregation, Diskriminierung und Ausbeutung, sie packt diese in alltägliche Situationen schwarzer Menschen. Sie erzählt im wesentlichen unaufgeregt, dadurch aber nicht weniger bedrückend. Ihre Lebenswelt war eben so.

    Schon in der Titelstory kommt all dies zum Tragen. Tommy soll als erstes – und einziges – schwarzes Kind in eine weiße Schule. Erzählt wird aus Sicht seiner älteren Schwester Ellie. Die Familie erhält Hass- und Drohbriefe, Tommy hat Angst. Winifred geht es in „Die Kammer im obersten Stock“ ähnlich, nur ist es bei ihr ein College. Libby begleiten wir in „Gesundheitsdienst“ in ein Krankenhaus, wo eines ihrer Kinder geimpft werden soll. Leider müssen sie in das Wartezimmer für Schwarze, eine Garantie auf Behandlung gibt es für sie nicht. Libby trifft man übrigens in einer späteren Geschichte noch einmal wieder. Eine besondere Geschichte ist „Kein Service hier“, in der eine schwarze Familie in den Wald flieht, um dort zu leben, und die mich mit ihrer Pointe umgehauen hat.

    Alle Geschichten, bis auf eine, werden aus Sicht von Frauen erzählt. Frauen haben oft noch ein zusätzliches Päckchen zu tragen. Alle dieser Frauen sind schwarz, bis auf eine. In der letzten Geschichte „Spinnen weinen ohne Tränen“ ist es eine weiße Frau, die im Mittelpunkt steht, die allerdings eine Beziehung zu einem Schwarzen aufnimmt.

    Keine der Geschichten ist einfach zu lesen, nicht nur wegen ihrer Themen, man muss sich auch darauf einlassen und aufmerksam lesen. Ich hoffe, dass ich alles so verstanden habe, wie es von Diane Oliver gemeint war. Zum (noch) besseren Verständnis sollte man auf jeden Fall auch das Nachwort Tayari Jones' lesen. Ebenso sollte man die Anmerkung zur Übersetzung nicht überlesen.

    Geschichten, die eine junge Frau vor etwas 60 Jahren geschrieben hat, wurden nun vollständig veröffentlicht und sind auf jeden Fall immer noch lesenswert. Ihre Themen sind durchaus noch aktuell.

  • Magische Bilder von Akram El-Bahay

    Art, Amin und Wu setzen ihre Reisen fort, um die Meister aus den Bildern zu holen. Dabei sind sie weiterhin vielen Gefahren ausgesetzt, Nicéphore und seine Inquisitoren sind ihnen immer auf den Fersen, der Wächter in den Bildern erwartet sie nun schon und kann geplanter vorgehen, und auch in den Reihen der Magier erhebt sich Widerstand gegen sie. In China schließlich kommt es zur Katastrophe und danach wird alles noch schwieriger.

    Der zweite Band der Dilogie setzt da an, wo der erste aufhörte, die Meister müssen so schnell wie möglich befreit werden, um gegen die Inquisitoren, vor allem aber Nicéphore vorgehen zu können. Zum Glück hat Art seine Kräfte immer besser im Griff.

    Weitere Städte und Enklaven werden besucht, mir gefallen vor allem die magischen Wesen, die immer zum Land passend sind. Welchen man hier begegnet, verrate ich natürlich nicht, ich finde, es macht einen Teil des Reizes aus, sie während des Lesens selbst kennenzulernen.

    Auch wenn die Handlung auf bestimmte Weise vorgegeben ist, es gilt schließlich die Meister aus den Bildern zu befreien, ist sie natürlich nicht ohne Überraschungen. Man darf nicht vergessen, dass Akram El-Bahay ein begnadeter Erzähler ist. Mir persönlich hat es deshalb in Russland am besten gefallen. Die Geschichte wird zudem zunehmend spannender, aber auch der Humor wird nicht vergessen, dafür sorgen schon Amin, überraschenderweise eine der Mumien, und natürlich das Radio, ohne das die Geschichte nicht die wäre, die sie ist.

    Gut gefallen hat mir Arts Entwicklung, sie ist auf mehrfache Weise positiv. Nachdem ich im ersten Band erst keinen Zugang zu ihm fand, war er hier sofort da. Wu wurde mir hier dagegen ein bisschen fremder, auch wenn ein Teil der Geschichte aus ihrer Perspektive erzählt wird, was man bereits am Cover erahnen kann. Apropos Cover: Beide Cover der Dilogie bilden eine Einheit, das mag ich sehr.

    Das einzige, was mich ein bisschen gestört hat, ist die Liebesgeschichte, die ich einfach nicht fühlen kann. Sicher, sie ist wichtig für die Geschichte, aber vielleicht hätte diese auch ohne sie funktionieren können. Für mich wirkt sie leider ziemlich aufgesetzt.

    Die Geschichte endet in meinen Augen passend, auch wenn ich mir unterwegs das eine oder andere Detail ein bisschen anders gewünscht hätte, vor allem für eine der handelnden Personen.

    Der zweite Band der Dilogie erzählt die Geschichte spannend weiter. Mir hat die Idee um die Bilder gut gefallen und ich bin gespannt, was Akram El-Bahay sich als nächstes einfallen lässt. Selbstverständlich gibt es von mir eine Leseempfehlung für die komplette Dilogie.

  • Oxen. Pilgrim von Jens Henrik Jensen

    Die Ereignisse des letzten Bandes hängen den Protagonist:innen noch nach, und so sind der ehemalige Jägersoldat Niels Oxen, die PET-Mitarbeiterin Margarethe Franck und ihr ehemaliger Chef Axel Mossmann sowie die Polizistin Sally Finnsen weiterhin auf der Suche nach Verantwortlichen, speziell nach dem als Mandrill bekannten Teilnehmers der Dinge, die in jenem Keller geschahen, der u. a. Sallys Bruder getötet hat. Dazwischen funkt ihnen nicht nur eine zunächst unbekannte Organisation, sondern auch eine Operation der dänischen Steuerbehörde, die Daten von Steuerhinterziehern aufkaufen möchte und die Hilfe von Axel Mossmann erbittet.

    Der sechste Band der Reihe war für mich der erste, wird aber sicher nicht der letzte gewesen sein, das war mir beim Lesen sehr schnell klar. Nicht nur, dass die Geschichte absolut spannend ist und der Roman schnell zum Pageturner wird, auch die Charaktere mag ich, gerade, weil auch sie manchmal etwas undurchsichtig sind. So gibt es eine ganze Reihe Überraschungen, mit denen man so nicht gerechnet hat, auch wenn sich die eine oder andere vorher andeutet. Manches ist kompliziert, unlogisch finde ich aber nichts. Am Ende war ich absolut geflasht von der Geschichte und brauche unbedingt mehr.

    Die vier Protagonist:innen kamen mir, auch wenn ich erst in diesem Band ihre Bekanntschaft machen konnte, schnell recht nahe, man lernt sie auch privat kennen, Oxen z. B. im Umgang mit seinem Sohn, Margarethe, die wegen eines amputierten Unterschenkels eine Prothese trägt, Sally, die um ihren Bruder trauert und nur schwer loslassen kann, und Mossmann, der es faustdick hinter den Ohren hat und seine Hündin liebt.

    Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven und zwar nicht nur aus denen der Protagonist:innen, so gibt es ständig mehr oder weniger große Cliffhanger, und man fragt sich schnell, wie das wohl alles zusammenhängt. Auch wenn ich den Vorgängerband, dessen Geschichte hier wieder aufgenommen wird, nicht kenne, habe ich doch nicht das Gefühl gehabt, etwas nicht zu verstehen, jedoch natürlich immer mehr den Wunsch, diesen Band auch noch bzw. die Reihe von Anfang an zu lesen. Band 1 und 2 habe ich mir auch bereits gekauft.

    Auch wenn alles zunächst sehr komplex und undurchsichtig wirkt, wird es nach und nach immer klarer. Die Auflösung ist gut durchdacht. Von Anfang bis zum Ende ist die Spannung hoch, zieht aber im Laufe des Bandes noch weiter an.

    Gut gefallen hat mir der Erzählstil, sehr bildhaft, manchmal fast poetisch, ein interessanter Kontrast zu den auch hin und wieder auch sehr brutalen Szenen. Sehr lesenswert ist auch das Nachwort, in dem der Autor Fakten und Fiktion betrachtet.

    Der sechste Band der Reihe ist sehr spannend und baut auf dem Vorgängerband auf. Trotzdem kann man ihn auch ohne Vorkenntnisse lesen und verstehen. Für mich ein Lesehighlight in diesem Jahr, das ich gerne weiterempfehle.

  • Im Schatten des Thronfolgers von Christine Neumeyer

    Artstetten, 1909: Während des Baus der Gruft für die Familie des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand wird eine Babyleiche gefunden, das Kind wurde anscheinend lebend geboren. Auf Grund des Fundortes wird der Geheimagent Pospischil und sein Assistent Frisch nach Artstetten entsandt, um den Fall möglichst diskret aufzuklären.

    Was mir direkt von Anfang an gefallen hat, ist das Lokalkolorit, das der Roman sozusagen aus jeder Pore ausströmt. Das fängt schon mit den Dialogen an, die oft dialektgefärbt sind, jedoch nie so stark, dass „Außenstehende“ es nicht verstehen könnten. Und geht weiter über die sehr gelungene Beschreibung der Örtlichkeiten und deren Hintergründe. Mir war der Nibelungengau nicht bekannt, aber der Roman machte mir Lust, ihn einmal zu besuchen, denn ich habe hier einiges darüber erfahren. Schließlich gibt es einige österreichische Wörter, die Deutschen zumindest zum Teil bekannt sind, vor allem, wenn sie schon in Österreich Urlaub gemacht haben, andernfalls kann man auch googeln. In Österreich und Deutschland gibt es eben für die selben Dinge hin und wieder unterschiedliche Worte, das trägt letztlich zur Authentizität bei. Ich hatte keine großen Schwierigkeiten, vieles kennt man, anderes entnimmt man dem Kontext.

    Aber auch das Zeitkolorit ist nicht ohne, denn ich fühlte mich schnell nicht nur an den Ort sondern auch in die Zeit versetzt. Nicht nur Franz Ferdinand hofft, bald den Kaiser abzulösen, auch vor allem jüngere Österreicher hätten gern ein bisschen frischen Wind. Leider blieb das Wunschdenken, denn schon fünf Jahre später wird Franz Ferdinand ermordet, wie wir heute wissen. Das Leben der Menschen damals, vor allem auch im Nibelungengau wird mir hier gut nahegebracht, so z. B. das der Landärzte und der Hebammen.

    Insgesamt habe ich also nicht nur einen guten Roman gelesen, sondern wurde auch immer wieder zum googeln ermuntert, und habe so auch Neues lernen können.

    Die beiden Ermittler sind mir schnell ans Herz gewachsen. Wie ich ermitteln konnte, ist dies bereits der dritte Roman mit den beiden, der zweite beim Picus-Verlag. Ich habe mir direkt die beiden anderen Romane besorgt. Beide Männer sind sehr unterschiedlich, Pospischil schon älter, mit viel Erfahrung, unverheiratet, von einigen Wehwehchen geplagt, Frisch dagegen jung, frisch verheiratet, mit zwei Doktortiteln und deutlich beweglicher als Pospischil. Das führt manchmal auch zu humorvollen Szenen, z. B. wenn die beiden mit Fahrrädern unterwegs sind.

    Andere Charaktere gibt es einige, Tatverdächtige, Zeugen, mögliche Mitwisser wie die beiden Hebammen, Mutter und Tochter, Personal des Schlosses, und natürlich der Pfarrer und seine Haushälterin, bei denen Pospischil und Frisch unterkommen. Dass einer davon tatsächlich etwas auf dem Kerbholz hat, erfährt man als Leser:in schon sehr früh, ob und gegebenenfalls wie er allerdings in die Sache um das Kind und einen weiteren Mord passt, erfährt man erst viel später im Roman.

    Der Roman ist, auch wenn er als Krimi firmiert, nicht besonders spannend. Muss er aber meiner Meinung nach auch nicht, denn er punktet an anderer Stelle, mit seinen Ermittlern und vor allem mit seinem Lokal- und Zeitkolorit. Ich hatte beim Lesen, trotz der Morde, ein eher gemütliches Gefühl, fühlte mich gut unterhalten und habe, wie schon erwähnt, schnell Lust bekommen, mehr Prospischil und Frisch zu lesen. Am Ende ist alles ordentlich aufgelöst, und die Ermittler erwartet noch ein schönes Erlebnis.

    Mit seinen sympathischen Ermittlern, seinem Lokal- und Zeitkolorit und seinem Setting konnte mich der Roman schnell packen. Dass es ihm ein bisschen an Spannung mangelt hat mich dabei nicht gestört.

  • Der Siegelarmreif von Marlene von Hagen

    Die große Schlacht gegen Tristorien steht kurz bevor, als sich im Lager der Rebellen eine Frau einfindet, mit der hier keiner gerechnet hätte. Welchen Einfluss das haben würde, ist zunächst nicht abzusehen.

    Auch der dritte Band um den Siegelarmreif hatte für mich viele Überraschungen auf Lager. Nicht nur mit dem oben erwähnten Ereignis hatte ich in keiner Weise gerechnet, und war bis zum Ende sehr misstrauisch, inwieweit ich darauf vertrauen konnte. Auch viele andere Szenen habe ich so nicht erwartet – und genau das gefällt mir wirklich gut. Schon im letzten Band hatte man gesehen, dass nicht jeder Charakter sich so entwickelt, wie man das zunächst erwartet hat, aber von der Person, die sich hier von einer ganz anderen Seite zeigt, hätte ich das nie erwartet. Dennoch ist es nachvollziehbar, was für mich sehr wichtig ist.

    Wie bereits in den Vorgängern, wird auch hier wieder aus den Perspektiven der verschiedenen Prota- bzw. Antagonist:innen erzählt. Das ist wirklich gelungen gemacht, denn jede Perspektive deckt einen anderen Part des Geschehens ab, und da, wo sie sich überschneiden, sind sie nicht immer deckungsgleich, weil eben jede:r ihre/seine eigene Wahrnehmung hat. Nur die Leser:innen wissen dadurch alles, und daraus entsteht ein nicht geringer Teil der Spannung.

    Denn spannend ist auch dieser Band wieder, schon weil man nie sicher sein kann, was passieren wird. Am Ende bin ich auch nicht sicher, ob die Geschichte schon auserzählt ist. Zwar ist die Geschichte der Rebellion gegen Tristorien wohl soweit abgeschlossen, und auch die Geschichte eines Charakters ist beendet, doch es ergeben sich weitere Geschichten, die hoffentlich auch noch erzählt werden, z. B. hat Alsha ihr Einhorn verloren und macht sich auf die Suche danach. Ob aus der Trilogie ein Mehrteiler wird, ob das sowieso von Anfang an geplant war, oder ob die Autorin irgendwann den Faden noch einmal aufnimmt? Der letzte Satz in diesem Roman lässt hoffen. Ich bin dann gerne wieder dabei.

    Wer die Vorgängerbände nicht kennt oder bei dem es schon länger her ist, dass er sie gelesen hat, erhält zu Beginn eine gute Zusammenfassung. Ich empfehle trotzdem dringend, die Bände der Reihenfolge nach zu lesen.

    Auch der dritte Band um den Siegelarmreif hat mich mehr als einmal überrascht, hier darf man sich keiner Entwicklung sicher sein, nichts ist vorhersehbar. Von mir gibt es selbstverständlich eine Leseempfehlung für die komplette Reihe.

  • Sturm über Berlin von Susanne Goga

    „Sturm über Berlin“ ist ein Kurzgeschichten-Prequel zur Leo-Wechsler-Reihe. Wir treffen Leo Wechsler im Januar 1919, er ist glücklich verheiratet und hat zwei kleine Kinder. Der erste Weltkrieg ist beendet, doch die Nachwehen noch nicht. Es gibt Demonstrationen und Straßenschlachten zwischen einzelnen Gruppen. Leo zeigt schon hier sein gutes Herz, und so wird er verletzt, als er sich einmischt.

    Wir lernen auch Leos Frau Dorothea kennen, in der Reihe ist er bereits Witwer, hier erleben wir mit, wie er seine Frau verliert. Das ist herzzerreißend, und vielleicht hätte man Dorothea ein bisschen mehr Zeit geben können, ich hätte gerne eine tiefere Verbindung zu ihre aufgebaut. Dennoch finde ich es schön, dass diese Lücke in Leos Geschichte geschlossen wurde.

    Man könnte die Kurzgeschichte auch lesen, ohne die Reihe zu kennen, aber natürlich ist es berührender, wenn man sie kennt. Leo Wechsler-Fans sollten sowieso zugreifen, zumal das Ebook – zumindest derzeit – kostenlos angeboten wird.

    Ein berührendes Prequel der Leo-Wechsler-Reihe, das eine Lücke in der Geschichte des Protagonisten schließt. Fans der Reihe sollten unbedingt zugreifen.

  • Der Teufel von Tempelhof von Susanne Goga

    Im Februar 1929 wird an der Blanken Hölle, einem Teich in Tempelhof, der mit einer sagenhaften Geschichte um Hel, die Göttin der Unterwelt, verbunden ist, ein toter Arzt gefunden, augenscheinlich ermordet. Für Leo Wechsler und sein Team gibt es zunächst kaum Anhaltspunkte für Motiv und Täter:in.

    Im neunten Fall der Reihe nimmt sich Susanne Goga wieder interessanter Themen an, die mir dieses Mal zum Teil kalte Schauer beschert haben. So erfahren wir in einer Nebenhandlung um die dreizehnjährige Erika etwas über das Fürsorgesystem dieser Zeit, und auch die Hintergründe des Mordfalls sind nichts für schwache Nerven.

    Daneben gibt es aber auch positive Dinge, z. B. eine Hochzeit, über die ich mich sehr freue, und Robert Walther erhält eine neue Chance. Mittlerweile sind die Familie Leos und sein Team wie alte Freunde, man freut sich, sie wiederzutreffen, und ist gespannt, was sich in ihrem Leben tut. Auch hier gibt es ein paar Neuigkeiten, z. B. über Sonnenschein und Neufeld, und Leo kann wieder einmal zeigen, wie loyal er ist.

    Was mir immer besonders gut gefällt, ist dass es Susanne Goga jedes Mal gelingt, mich sofort in den Roman zu ziehen, der mich dann auch bis zum Ende nicht mehr loslässt. Ich mag es auch, wie sehr ich mitfühlen kann. Am Ende ist dann auch hier wieder der Fall nachvollziehbar gelöst, und man muss sich leider wieder bis zum nächsten Band von den liebgewonnenen Charakteren trennen. Wie ich gelesen habe, wird es zum Glück einen weiteren Band geben, auf den ich mich schon sehr freue.

    Auch der historische Hintergrund fließt jeweils gelungen in die Romane ein. Man kann sich darauf verlassen, dass die Autorin gut recherchiert hat, wie man auch am Nachwort erkennen kann. Mich bringt es auch immer dazu, ein bisschen zu goggeln, sei es zu den historischen Persönlichkeiten, die zumindest erwähnt werden, sei es bezüglich historischer Gegebenheiten und Ereignisse. Das vertieft mein Wissen, und macht den Roman noch authentischer.

    Band 9 der Leo-Wechsler-Reihe hat mich wieder von Anfang an gepackt, das Wiedersehen mit liebgewonnenen Charakteren ist immer wieder schön. Dieser Fall hat mir einige kalte Schauer beschert und mich emotional sehr gepackt. Wie für die ganze Reihe gibt es auch für diesen Band wieder eine Leseempfehlung von mir.

  • Der Twyford-Code von Janice Hallett

    Steven Smith findet 1983 als Jugendlicher ein Buch von Edith Twyford, das er an seine Lehrerin Miss Trout, die ihn und vier andere Kinder, die Probleme mit dem Lesen und Schreiben haben, zusätzlich unterrichtet, weitergibt. Miss Trout macht mit der Gruppe eine Reise zu Twyfords ehemaligem Wohnhaus, danach verschwindet sie.

    Steven gerät auf die schiefe Bahn, landet mehrmals im Gefängnis. 2019 wird er nach einem längeren Gefängnisaufenthalt entlassen, und möchte nun endlich das Geheimnis um Miss Trout lösen, die offenbar einen Code in Twyfords Romanen entdeckt hat. Ist sie womöglich deshalb verschwunden?

    Steven nimmt seine Erkenntnisse als Audiodokumente mit dem Handy auf, deren Transkription den größten Teil des Romans ausmachen. Die Transkription wurde mit einer KI gemacht, die manche Worte nicht richtig erkennt, so wird z. B. aus Miss Trout „misstraut“, aus „so ne“ „Sonne“ usw. Das kann die Übersetzung aus dem Englischen nicht einfach gemacht haben, Chapeau an Stefanie Kremer, die den Roman übersetzt hat!

    Das Lesen hat es mir allerdings nicht wesentlich erschwert. Zu Beginn wird mit ein paar Beispielen darauf hingewiesen, so dass man schon vorgewarnt ist. Ich hatte das richtige Lesen dieser Wort schnell im Griff, so dass mein Lesefluss nicht gestört wurde. Ein bisschen schwieriger ist Stevens nicht lineare Erzählweise, immer wieder schweift er in die Vergangenheit ab, aber auch daran gewöhnte ich mich schnell. Schnell habe ich auch begonnen mitzurätseln. Und auch Edith Twyford kam mir direkt irgendwie bekannt vor, was sich in der Danksagung der Autorin bestätigt hat. Diese sollte man daher übrigens lesen.

    Das Miträtseln hat Spaß gemacht, und ich hatte auch die ein oder andere richtige Erkenntnis, die tatsächliche Auflösung allerdings ist ein große Überraschung, und ich wage zu behaupten, dass man darauf nicht hätte kommen können. Trotzdem ist sie nachvollziehbar.

    Auch wenn ich den Roman gerne gelesen habe, hat er mich nicht ganz so gepackt, wie ich erhofft hatte, dafür ist er nicht spannend genug, auch wenn es den ein oder anderen Cliffhanger gibt.

    Steven mochte ich sehr schnell, man merkt trotz seines kriminellen Hintergrundes, dass er Empathie und Mitgefühl besitzt. Er ist ganz klar der Hauptcharakter, nicht nur, weil er selbst in Ich-Form erzählt, sondern auch, weil alle anderen Charaktere tatsächlich nur Nebenrollen spielen, auch, wenn sie das eine oder andere wichtige beisteuern.

    Janice Hallets Roman punktet mit seinem besonderen Erzählstil, einem interessanten Protagonisten, und einer Geschichte, die am Ende nicht vorhersehbar ist. Mir hat aber ein bisschen die Spannung gefehlt. Wer einmal etwas anderes lesen möchte, ist hier richtig.